Reiseseite von Martina & Daniel

Woraus besteht der Mensch? Aus Körper, Seele und Pass

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Einmal rund herum Rügen

1. Juni 2012 · Keine Kommentare

Tschudins auf Rügen und Hiddensee – mutig
von Martina

18. Mai 2012 Anreise nach Greifswald
Bereits um 4 Uhr in der Früh reisst uns der Wecker mitten aus dem Tiefschlaf und dem warmen, weichen Bett. Denn schon um 6.25 Uhr startet unser Air-Berlin-Flieger mit Ziel Berlin.
Pünktlich landen wir in der deutschen Hauptstadt und sitzen kurz darauf im TXL-Expressbus zum Hauptbahnhof, wo wir unsere Gepäckstücke im Schliessfach deponieren.
Mit der U-Bahn fahren wir zum Wittenbergerplatz, wollen im KaDeWe frühstücken – doch das Kaufhaus öffnet erst um 10 Uhr. So setzen wir uns halt ins Café nebenan und geniessen ein feines Zmorge. Nützen danach die Vorzüge der ÖV-Tageskarte und kurven durch die Grossstadt. Verweilen im uns bis dahin unbekannten Gebiet rund um die grosse und kleine Hamburgerstrasse und den grossen, ehemaligen jüdischen Friedhof. Dieser Stadtteil gefällt uns ausnehmend gut.
Um 18.23 besteigen wir dann mit dem ganzen Gepäck den ICE, Richtung Stralsund. Nach 2 ½ Stunden ist das Ziel, die Hansestadt Greifswald erreicht und wir lassen uns von einem Taxi an den Yachthafen fahren. Wir können die „Lightning“, eine Sun Odyssey 30i bereits beziehen. Diese Segelyacht ist etwas kleiner und vor allem schmaler geschnitten wie die holländische Katja vom vergangenen Jahr. Wir merken das vor allem an der Kajüte… Im yachteigenen Restaurant bieten sie uns eine frische Fischsuppe an, weltmeisterlich und genau das, was ein Gfrörli jetzt braucht! Hüpfen um 23 Uhr in die Koje und sind sofort im Reich der Träume, war auch ein langer Tag.

19. Mai 2012 von Greifswald nach Lauterbach – 23,2 sm
Wiesel’s mehrmalige Toilettengänge in der Nacht und am frühen Morgen wecken mich kurz nach 7 Uhr endgültig – ja, ja, die Biere….
Was gäbe ich jetzt für einen starken Kaffee – aber die Pantry ist (noch) gähnend leer. Also raus und unter die Dusche, das macht munter. Nehmen anschliessend den ca. 10-minütigen Marsch ins Zentrum unter die Füsse und geniessen kurz darauf in einem der zahlreichen Cafés unser Frühstück. Zurück auf dem Schiff überprüfen wir das Inventar, Mobiliar und die Funktionalität der Geräte. Die Art und Weise, wie genau der Vercharterter die Übergabe gestaltet, ist sehr professionell.
Um 12.20 Uhr starten wir die Motoren und das Abenteuer „Rund Rügen“!
Das Ablegemannöver klappt perfekt, unter Motor geht’s rund 30 Minuten bis zur Klappbrücke von Greifswald-Wieck. Die öffnet um genau 13 Uhr – willkommen Ostsee! Wir hissen Gross- und Vorsegel und steuern bei herrlichem Wetter und beinahe sommerlichen Temperaturen das erste Ziel „Lauterbach“ an. Das Anlegemanöver im Yachthafen Lauterbach-Jaich klappt so-so-là-là. Unser Liegeplatz ist Sektor A, zwischen 15 und 16 :), Kosten pro Nacht in der NS sind Euro 12.00. Uns gefällt die schöne, neue Anlage, besonders die modernen und grossen Familienduschen für uns Segler! Ein besonderer Eyecatcher sind die schwimmenden Holzferienhäuser – sozusagen vom Bett ins Wasser. Nach dem einklarieren genehmigen wir uns ein Störtebecker-Bier, er in Large, ich in Small. Für das Abendessen geht’s vorbei an der Bahnstation Lauterbach-Mole zum Stadthafen Lauterbach. Wir finden in der „Fischräucherei“ einen Tisch. Zur Vorspeise wählen wir „Rügener Fischsuppe“, als Hauptgang „Matjes-Filet“, lecker! Zurück an Bord vertiefen wir uns in die Karten und die Wetterdaten – brühen einen Kaffee auf und kriechen bereits um 22 Uhr in die Federn.

20. Mai 2012 von Lauterbach nach Sassnitz – 44,9 sm
Werden von Sonnenschein und strahlend blauem Himmel geweckt. Wir haben prächtig und lang geschlafen, denn es war die ganze Nacht über mucksmäuschenstill. Flugs geht’s unter die Dusche, anschliessend holen wir beim Hafenmeister die georderten 4 Brötchen. Die werden uns als Reiseproviant dienen. Im nahegelegenen Restaurant geniessen wir ein ausgiebiges Frühstück und um kurz nach 11 Uhr legen wir ab, unser Ziel ist der nur 12 Seemeilen entfernte Hafen „Zickersee“. Doch bereits auf der Hälfte der Strecke bleiben wir im Schlick stecken. Dani kann uns zwar völlig problemlos mit Motorleistung befreien. Als es dann aber auf der Zufahrt, in der Fahrrinne!, ein zweites Mal passiert, hat der Capitano endgültig genug von Zicker und wendet die Lightning. Wir beschliessen, Sassnitz anzulaufen – sei ja nicht sooo weit, meint der Kapitän. Der Wind ist uns wohlgesonnen und bläst mit konstanten 13 – 14 einen tollen am Wind Kurs! Wir erfreuen uns ab dem prächtigen Wetter, den Sonnenstrahlen und der tollen Landschaft, als el Capitano irgendwann realisiert, dass er bei seiner Berechnung wohl „etwas“ danebenlag…. Unterdessen ist es bereits 15.30 Uhr und Sassnitz noch mindestens 2 Stunden entfernt! Wir schlucken zweimal leer, jänu da müssen wir jetzt durch.
Mit steten 7,9 bis 8,3 Knoten schiessen wir, unterdessen auf einem Halbwindkurs, auf den Hafen von Sassnitz zu. Kurz vor der Einfahrt bergen wir die Segel. Der Wind hat aufgrund des Kap-Düseneffekts kräftig aufgefrischt (23!!) und wir müssen anlegen. Bereiten uns gründlich vor und fahren langsam durch den grossen Hafen. Alle Boote liegen längsseits der Hafenmole – also schliessen wir uns zuhinterst an. Das Manöver klappt hervorragend! Wir vertäuen die Lightning, überprüfen gründlich Sitz und Halterung der Fender und Leinen. Beim nachrechnen realisieren wir, dass wir heute knapp 45 Seemeilen!! absolviert haben. Unterdessen ist es kurz vor 20 Uhr und wir kehren hungrig im direkt am Wasser gelegenen „Gastmahl des Meeres“ ein. Ich könnte mich glatt durch die Karte dieses urigen Restaurants essen – so viele gluschtige Angebote. Wähle eine tomatisierte Fischsuppe, nennt sich Fischsoljanka – Dani eine friesische Muschelsuppe. Zum Hauptgang gibt’s gebratenen Zander und einen Sprottenteller. Alles super fein, aber zu grosse Portionen. Zurück an Bord kriechen wir sofort unter die Decken, sind Beide hundemüde.

21. Mai 2012 von Sassnitz nach Lohme – 15,3 sm
Vor der Weiterfahrt Richtung Lohme gehen wir Lebensmittel bunkern – der Kühlschrank ist noch immer gähnend leer. Der anschliessende Rundgang durch den Ort kann uns nicht begeistern. Kurz nach Mittag legt el Capitano vorbildlich ab und wir fahren raus. Draussen tobt der Wind und die Wellen türmen sich unangenehm. Wir bekommen von der schönen Kreideküste leider überhaupt nichts mit. Als wir aber oben auf der Höhe des Jasmund-Nationalparks das Kap umrunden, ist der Wind weg – so unvermittelt, als hätte jemand den Schalter gedreht. Es hilft nichts, die verbleibenden 8 Seemeilen müssen wir motoren und das alles bei Wellen von 1.5 Meter! Mein Magen schlägt Kapriolen. Endlich ist der kleine Naturhafen von Lohme in Sicht und Dani macht sich ans Einlaufen, keine leichte Angelegenheit bei diesen Bedingungen. El Capitano wählt gleich den ersten freien Platz aus und dann geht irgendwie alles schief. Die alten Bootseigner des Nachbarbootes helfen zwar, führen sich aber unmöglich auf. Als mir der Bootseigner aber auf die Hand schlägt, weil er meint ich wolle ihm seine Bootsreeling abbrechen, vergesse ich meine Kinderstube und die guten Manieren. Giesse verbal Schimpf, Schande und manches Schimpfwort über Herr und Frau Troll aus. Irgendwann bekommen wir dank el Capitano das Boot in die „Parklücke“ und die Situation entspannt sich. Die beiden Waldschrate plagt wohl ein schlechtes Gewissen und sie behandeln uns zuckersüss und helfen mit guten Tipps zu Lohme und der Region.
Nach dem Bezahlen beim Hafenmeister und dem ordern von frischen Brötchen für den darauffolgenden Morgen machen wir uns auf den steilen Aufstieg ins Dorf, kehren für das Abendessen im Hotel-Restaurant „am Meer“ ein. Leckere Küche, aber oh Schreck – die nehmen keine Kreditkarte!?! Wo sind wir denn da gelandet? Dani klaubt seine letzten Euros aus der Geldbörse, als uns die zweite Hiobsbotschaft trifft: Lohme hat keine Bank und keinen Bankomaten!?! Na toll! Eigentlich wollten wir den morgigen segelfreien Tag für den Besuch des Unesco-Weltkulturerbes Königsstuhl verwenden. Jetzt bleibt uns nichts anderes übrig, als auch noch bis nach Sassnitz laufen und dort Geld zu beziehen…..

22. Mai 2012 in Lohme
Wir haben in der Achterkajüte schlecht geschlafen, denn während der Nacht frischte der Wind auf, es klopfte – krachte und ächzte pausenlos. Nichts desto trotz ziehen wir nach dem Frühstück unsere Wanderschuhe an und laufen durch einen wunderschönen Buchenwald auf herrlich weichem Waldboden die 4 Km bis zum Königsstuhl. Der Eintritt in das Nationalparkzentrum kostet 7.50 Euro/Person und klar kann per KK bezahlt werden….Wir nehmen am sehr interessanten Rundgang zur Entstehung der Kreideküste teil. Nach einem Besuch auf der Aussichtsplattform geht’s noch einmal rund 8 Km auf dem Wanderweg (Hochuferweg) nach Sassnitz. Bei der Busstation sitzen doch tatsächlich Herr und Frau Troll auf der Bank… Um 13.30 Uhr treffen wir in Sassnitz ein, plündern den Bankomaten, kaufen beim Schiffsausrüster ein Flickband für den gestrigen „Parkschaden“ (haben mit der Bordwand den Metallpoller geküsst), genehmigen uns zwei wohlverdiente Fischbrötchen direkt vom Räucherschiff und lassen uns in der ältesten Drogerie von Rügen die Vorzüge der Heilkreide erklären. Mit dem Bus geht’s um 15.20 zurück nach Lohme. Geniessen ein feines Nachtessen in einem Fischrestaurant, zügeln an Bord unsere Bettdecken in die ruhigere Bugkajüte und schlüpfen danach sofort in die Federn, denn morgen wollen wir früh weiter.

23. Mai 2012 von Lohme nach Vitte – 37,0 sm
Nach einer Dusche und nur einem Jogurt (schön blöd!) zum Frühstück werfe ich mir sicherheitshalber eine Tablette ein, denn was da vor der Hafenmole tobt, sieht nicht magenfreundlich aus….
Das Ablegemanöver klappt trotz kräftigem Wind hervorragend, Bravo el Capitano!
Beim versorgen der Leinen und der Fender werde ich von einer hohen Welle gegen den Deckel der offenen Backskiste geschleudert – die Finger der rechten Hand schmerzen fürchterlich, hoffentlich ist nichts gebrochen. Schon nach kürzester Zeit ist mir trotz Tablette hundeelend, die Wellen von 1.5 Meter setzen mir bös zu. Mit bis zu 8,4 Knoten Fahrt, trotz zweitem Reff und nicht ganz offenem Vorsegel, rasen wir Richtung Kap Arkona. Ich hoffe inständig, dass es mir nicht noch elender wird. Die 8 Seemeilen dem Kap entlang sind höllisch, zum Teil türmen sich die Wellen richtig hoch auf. Ich kann mich etwas hinlegen und schlafe sofort ein. El Capitano steuert das Boot bis zur Bucht an der Nordspitze von Hiddensee. Dort entspannt sich die Situation und mir geht’s wieder ganz leidlich. Was für eine Erleichterung, den Leuchtturm von Dornbusch zu sehen. Für die Fahrt unter Motor entlang der Ostküste von Hiddensee übernehme ich das Steuer. Durch zum Teil sehr niedriges Fahrwasser laufen wir bei schönsten Bedingungen im Yachthafen von Vitte auf Hiddensee ein. Das Anlegen klappt gut, jedoch fehlt mir aufgrund der Schmerzen und Schwellung in der rechten Hand die Kraft, das Segelschiff richtig festzumachen. Drei nette Polinnen vom Nachbarschiff eilen uns zu Hilfe. Eben ist unsere Lightning gut vertaut, da taucht ein weiteres Segelschiff im Hafen auf dessen Skipper schon von weitem um Hilfe und Unterstützung ruft. Sein Motor ist defekt und springt nicht an! Sofort sind diverse Männer zur Stelle, mit Ach und Krach und vereinten Kräften schaffen es Alle das Schiff des völlig überforderten Kapitäns festzumachen. Ein herbeigerufener Taucher (iiiii 10 Grad kaltes Ostseewasser) birgt nach kurzer Zeit den Grund der Panne – Fischernetzteile, die sich in der Motorwelle verfangen haben. Zum Glück ist uns das nicht passiert!
Wir beschliessen, etwas länger auf der Insel zu bleiben und bezahlen beim Hafenmeister die Liegegebühr für zwei Tage. Zu Fuss geht’s anschliessend über den Damm zum Fährhafen von Vitte. Mieten uns zwei Farräder, denn Hiddensee ist autofrei – man geht entweder zu Fuss, per Bike oder reitet. Gleich neben dem Fahrradverleih lädt ein Fischrestaurant zum bleiben ein – unsere Mägen knurren, also lassen wir uns nieder. El Capitano ordert Hechtleber (mundet ihm) – ich entscheide mich für Zanderbäckchen (mundet weniger). Im Souvenierladen lacht mich eine rot-weiss gestreifte Mütze an. Da der Skipper mein Cap zwei Tagen zuvor im Meer versenkt hat, erstehe ich die Mütze. Bei Edeka decken wir uns noch mit Frühstücksutensilien für die kommenden Tage ein und radeln dann zurück zu unserem Boot. Nach dem Gute-Nacht-Kaffee löschen wir zeitig die Lichter.

24. Mai 2012 in Vitte
Geniessen bei herrlichem Sommerwetter ein ausgiebiges Frühstück. Dani meint, meine geschwollene Hand gehört zu einem Arzt – obs auf Hiddensee überhaupt einen Doktor gibt? Es gibt einen, dessen Praxis zufälligerweise auch noch in Vitte liegt. So radeln wir also hin, ans Süderende des Ortes. Nach dem umfangreichen Bürokram stellt der Doktor die Diagnose, zum Glück nur eine Prellung und Stauchung. Die Medikamente können wir allerdings erst anderntags ab 10 Uhr bei der Medikamenten-Ausgabestelle abholen – alle nicht vorrätigen Medis kommen nämlich mit der Fähre von Rügen. Anschliessend radeln wir über den Damm nordwärts, der Weiler „Kloster“ ist unser Ziel. Was für ein zauberhafter, ruhiger Ort, aber nur so lange, bis die vielen Rentnergruppen einfallen! Nehmen Reissaus und „flüchten“ uns ins Haus des Literatur-Nobelpreisträgers Gerhard Hauptmann, das man besichtigen kann. Laufen im Anschluss ca. 1 Stunde dem Steinstrand entlang Richtung Dornbusch. Steil geht’s dann auf unzähligen Treppenstufen hinauf. Eine grandiose Aussicht entschädigt für die Schinderei. In der Klause nehmen wir eine kleine Zwischenverpflegung ein und schauen uns das ehemalige Haus des Wetterfrosches Jörg Kachelmann an. Von dort aus sendete er seine legendären vor-Ort-Wetterprognosen. Laufen zum Leuchtturm und erklimmen die 82 Stufen. Eine einmalige Rundum-Fernsicht bietet sich. Zurück in Kloster schwingen wir uns wieder auf unsere Drahtesel und radeln zurück Richtung Vitte. Machen auf der Westseite der Insel Halt und geniessen am Sandstrand die Sonnenstrahlen. Es ist Ende Mai und ich grabe meine nackten Füsse in den Sand! Sehr gewöhnungsbedürftig bis zuweilen peinlich empfinden wir die FKK-Sonnenden, die ihre Nacktheit sehr offensiv zur Schau stellen.
Bringen kurz vor 18 Uhr unsere Fahrräder zurück und laufen zum Schiff. Verquasseln uns da mit unseren Schiffsnachbarn, dem Hafenmeister von Greifswald-Wieck. So kommen wir erst nach acht Uhr zum Nachtessen. El Capitano ordert im Sanddorn-Eck eine Terrine Fischsoljanka und ich eine scharfe Hähnchen-Nudel-Pfanne. Schmeckt alles sehr lecker. Um 22 Uhr sind wir in den Federn. Am liebsten würde ich auf Hiddensee bleiben – diese Insel ist einfach ein Bijou.

25. Mai 2012 von Vitte nach Stralsund – 35,4 sm
Nach der Morgendusche und dem Frühstück laufen wir ans Süderende zur Medikamentenausgabe. Bezahlen die Creme und die Schmerzmittel und sind bereits kurz nach 10 Uhr wieder zurück an Bord. Bereiten alles zum ablegen vor, verabschieden uns von den Schiffsnachbarn und laufen aus. Bis auf ein laues Lüftchen von Wind leider keine Spur, er lässt uns völlig im Stich. So dümpeln wir mehr schlecht als recht dahin. Vor zwei Tagen dermassen Wind und abenteuerliche Bedingungen und heute das totale Gegenteil – tja, auch das gehört zum Segeln.
Praktisch am Ende von Hiddensee, auf der Höhe von Neustadt bergen wir die Segel, starten den Motor und reihen uns im Fahrwasser mit Ziel Stralsund ein. In einem wahren Zick-Zack-Kurs werden wir durch die grosse Bucht vor der Hansestadt gelotst. Gefällt uns gar nicht, so unter Motor – die Ortskundigen mit niedrigen Kielen fahren alle unter Segel, wir getrauen uns das mit unserem 1.75 Meter tiefen Kiel nicht. Gefallen kann uns hingegen die Silhouette von Stralsund. Leider fällt genau mit unserer Ankunft die Öffnung der Eisenbahnbrücke zusammen. So ergiesst sich ein wahrer Pulk von Seglern in die Marina, alle auf der Suche nach einem Liegeplatz. El Capitano kurvt etwas gereizt etwa viermal durch die Reihen. Irgendwann entdeckt er dann doch noch einen genehmen Platz, der aber mit einem roten Besetzt-Schild gekennzeichnet ist. Das ignoriert Monsieur – Notfalls können wir einfach einen Platz nach unten „rutschen“. Wir erledigen die Anmeldeformalitäten und suchen uns dann ein Restaurant, denn der Magen knurrt. Finden im Restaurant Steuermann einen Tisch und essen lecker Fisch. Fallen anschliessend todmüde in die Federn. Uns schräg gegenüber liegt ein kleineres Segelboot mit Männern, die vom Aussehen her an Rübezahl erinnern. Einer hat uns schon beim Anlegen geholfen. Das Boot fährt unter norwegischer Flagge, die Männer stellten sich als Dänen vor, sprechen aber russisch… Irgendwann in der tiefen Nacht werden wir durch lautes Reden und dann höllischen Krach geweckt, kurz darauf knallts direkt bei unserem Boot und wir hören Wasser spritzen. Dani geht sofort mit der Taschenlampe nachschauen. Der ungepflegte Waldschrat hat beim telefonieren scheinbar das Ende des Steges übersehen und ist direkt neben unserem Schiff ins eiskalte Wasser gefallen. Kann sich aber selbst helfen und aus dem Wasser steigen…

26. Mai 2012 in Stralsund
Hafentag – entsprechend grösser fällt das Frühstück aus. Bevor wir uns zur Stadterkundung aufmachen, werfen wir die dreckige Wäsche in die Maschine der Marina.
Von näherem betrachtet gefällt uns die Stadt nicht mehr so gut – zu zusammengewürfelt und unpassend wirken die diversen Baustile und Gebäude, schade.
Besichtigen das Rathaus und die St. Nikolaikirche. Spannend, die unglaublich grosse Holzorgel. Bei Peek + Cloppenburg erstehen wir für el Capitano eine sehr schicke, blaue Stoffhose mit passendem Gürtel. Er hat sich seit ewigen Zeiten gegen eine solche Hose gewehrt – jetzt hat er Freude daran (zeigen kann er das natürlich nicht!). Ich erstehe mir ein paar Shorts, denn es ist unterdessen so warm wie im Hochsommer und ich habe nur warme Klamotten dabei.
Der Hafenmeister hat uns auf Nachfrage das Fischrestaurant „zur Kogge“ empfohlen, um 19 Uhr sind wir dort und werden nicht enttäuscht. Preis/Leistung ist absolut 1A! Da wir morgen weiter wollen, gehen wir bereits um 22 Uhr ins Bett.

27. Mai 2012 von Stralsund nach Seedorf – 34,7 sm
Früh sind wir wach, eigentlich haben wir nie richtig tief geschlafen. Denn die Disco gleich am Hafen hatte die ganze Nacht Hochbetrieb und entsprechend laut gings zu und her. Irgendwann am Morgen springt sogar einer füdliblutt ins Wasser. Wir wollten eh um 8.20 Uhr durch die Schleuse (diese öffnet nur dreimal pro Tag), also schnell unter die Dusche und dann ans Frühstück. Machen unsere Lightning abmarschbereit und besprechen das Ablegemanöver. Inzwischen wissen wir genau, das A + O ist, die Manöver in Ruhe durchzuführen. Entsprechend gut klappts unterdessen. Um 8.10 Uhr legen wir ab und steuern unter der riesigen Rügendammbrücke auf die noch geschlossene Eisenbahnbrücke zu. Fast pünktlich geht die Brücke auf und die Durchfahrtslichter schalten auf grün. Knapp 20 Seemeilen fahren wir unter Motor den flussähnlichen Kanal Richtung Greifswalder Bodden – gefällt uns zwar überhaupt nicht, ist aber nicht zu ändern.
Dann endlich können wir die Segel hissen und bei guten Winden schiessen wir mit bis zu 7 Knoten Richtung Seedorf, unserem nächsten Ziel. Bereits mehrfach wurde uns dieser Hafen von anderen Seglern empfohlen. So laufen wir bei herrlichen Bedingungen kurz vor 15.30 Uhr in diesen süssen Hafen ein. Es ist Pfingstsonntag und entsprechend rappelvoll ist es. Von einem angelegten Boot ruft uns ein Junge zu: „alles voll oder rot belegt“. Oh je, also nebst der Suche nach einem freien Platz auch noch auf die entsprechenden Schilder achten. Vor uns ist schon ein grösserer Segler auf der Suche nach einer Liegemöglichkeit, als ich einen freien Platz erspähe. Kurze Nachfrage bei den Segelnachbarn, dann legen wir mit deren Mithilfe problemlos an. Der ältere der männlichen Segler ist ein typischer Norddeutscher, grummelig und kratzbürstig! Sein „ach herrjeh, jetzt auch noch Schweizer“ fordert meine Schlagfertigkeit so richtig heraus und so gibt kurz darauf ein lustiger Spruch eineinen Gegenspruch. Als ich anschliessend vom Umziehen unter Deck wieder nach oben komme, schneidet die Frau eben eine Torte an und schenkt sich und ihren Männern heissen Kaffee ein. Ich denke gerade noch, hoffentlich sieht das mein Skipper das Schleckmaul nicht – da taucht er auch schon aus der Luke auf. Man sieht förmlich, wie ihm das Wasser im Mund zusammenläuft.
Was dann passiert, hätte ich nicht gedacht! Der ältere Segelnachbar reicht zwei Tortenstücke rüber mit den Worten „ein Stück für den Skipper und eins für seine Frau, frischer Kaffee kommt auch gleich – keine Widerrede!“. Mit so etwas haben wir nie gerechnet, sind baff und den Boelkes sehr dankbar für die Stärkung. Innert kürzester Zeit quasseln wir über unser und ihre Leben, Arbeit und Hobbies. Frau Boelke organisiert Prospekte, Pläne und Unterlagen der Region, wir werden richtig umsorgt!
Melden uns anschliessend bei Monique, der Hafenmeisterin des Forellenstegs für zwei Nächte an und mieten Fahrräder fürs erkunden der Region. Spazieren anschliessend die etwa 400 Meter zum Restaurant drei Linden. Sitzen noch um 20 Uhr draussen an der Sonne und geniessen ein feines Fisch-Znacht.

28. Mai 2012 in Seedorf
Hafentag! Die Sonne weckt uns – wir haben viel und vor allem herrlich geschlafen. Frühstücken an Bord mit frischen Brötchen vom Bäcker. Anschliessend schwingen wir uns auf unsere quitschorangen Fahrräder, diese haben immerhin 7 Gänge (auf Vitte warens noch 3-Gänger). Fahren durch schöne Landschaften auf mehr oder weniger guten Radwegen / Strassen bis nach Moritzdorf. Dort lassen wir uns und unsere Bikes von einer der kleinsten Fähren Deutschlands übersetzen. Es sind nur ein paar Meter, die der Fährmann mit dem Ruderboot zu bewältigen hat, zum Preis von 1 Euro pro Person und Fahrrad. Am anderen Ufer radeln wir weiter ins Ostseebad Göhren. Am dortigen Bahnhof steigen wir um in den rasenden Roland, unsere Bikes fahren wir im Anhängerwagen mit. Die alte Lokomotive dampft mächtig, besonders wenn es aufwärts geht, stösst sie pechschwarze Dampfwolken aus. Bei jedem Bahnübergang pfeift die Lok und Übergänge gibt es eine ganze Menge auf der Strecke nach Bienz. Es ist erlaubt, bei voller Fahrt draussen auf der Plattform zu stehen – während der Fahrt Blumen zu pflücken hingegen verboten. Im Ostseebad Bienz angekommen holen wir unsere Bikes und radeln Richtung Strand und Seebrücke. Es ist Pfingsmontag und entsprechend voll sind die Cafes und Restaurant. Bienz ist zwar eher mondän, aber wenigstens von einheitlicher Architektur und identischem Weiss. Einfach unglaublich ist das Wetter. Praktisch alle Strandkörbe sind besetzt, der Strand ist voll mit sonnenden Familien und einige geniessen doch tatsächlich ein Bad in der Ostsee! Wir laufen der Strandpromenade entlang, el Capitano stärkt sich unterwegs mit italienischem Eis. Er will sich unbedingt noch ein Bild von Prora machen, also nehmen wir auch noch diese 8 Km unter die Räder. Ich empfinde diese Bauten aus der Nazizeit als schrecklich! Unglaublich, dass man so etwas zwar unter Schutz stellt – aber vergammeln lässt. Keine Scheibe ist mehr ganz und praktisch jedes der Gebäude versprayt. Wunderschön dagegen ist der Strandabschnitt vor dem Baukoloss. Fahren anschliessend zum Jagdschloss Granitz. Das Gebäude interessiert uns nicht gross, aber dafür der Turm, der sich genau in der Mitte des Schlosses erhebt. Denn die offene Wendeltreppe die sich im Innern des Turmes den Wänden nach aufwärts windet, ist nur etwas für Mutige und Schwindelfreie! Der Ausblick oben auf der Zinne ist aller Mühsal wert.
Über Stock und Stein fahren wir anschliessend zurück zum Schiff. Nach einer Dusche kehren wir noch einmal in den drei Linden ein, schmeckt uns wieder vorzüglich. Erfahren dabei von einem deutschen Paar, dass die CH-Nationalmannschat die deutsche Nationalelf mit 5:3 vom Platz gefegt hat. Da schmeckt das Bier noch mal so gut.

29. Mai 2012 in Seedorf
Nach dem Frühstück radeln wir abermals Richtung Moritzdorf – biegen dann aber kurz davor Richtung Sellin ab. Leider ist das Wetter nicht mehr so toll, es ist merklich kühler geworden und der Himmel hat sich zugezogen. Im Ostseebad angekommen geniessen wir noch trocken die Aussicht auf die bekannte Landungsbrücke, leider ist das Restaurant eingerüstet. Das Viersternhotel Bernstein bietet ein Day-SPA und Massagen an – vielleicht wäre das etwas für meinen schmerzenden Rücken? Ich bekomme um 13.10 einen Termin bei der Physiotherapeutin. Bis dahin wollen wir uns ein wenig in Sellin umschauen, aber leider hat jetzt Regen eingesetzt und der Schirm ist unglücklicherweise auf dem Schiff geblieben…
Die Massage bei Frau Kotschnig tut gut und wir radeln eine Stunde später weiter bis zum letzten der Ostseebäder, nach Baabe. Geniessen dort ein Fischbrötchen, bevor wir den Heimweg antreten.
Leider funktioniert der Heizstrahler auf der Lightning nicht, umso dankbarer bin ich jetzt für die wärmende Merino-Unterwäsche. Das Nachtessen nehmen wir im Fischkopp ein, einem Restaurant nur einen Steinwurf vom Forellensteg entfernt. Anschliessend rufen wir die verschiedenen Wetterberichte ab – alle verheissen nichts Gutes. Kräftige Stürme und schlechtes Wetter werden vorausgesagt. Ab in die Wurmbüx.

30. Mai 2012 von Seedorf nach Lauterbach – 15,8 sm
Leider zeigt sich das Wetter von seiner unfreundlicheren Seite, die Temperaturen sind gefallen und mir fällt es direkt schwer unter der warmen Decke hervor zu kriechen. Aber die Aussicht auf einen heissen, starken Kaffee siegt dann doch. Schnell unter die Dusche, fluchend ab dem verhassten Duschvorhang, der sich immer um meine Beine schlingen will, droben im grünen Container an der Strasse. Nach einem kurzen Frühstück checken wir noch einmal die Wetterdaten und beschliessen dann, gleich loszufahren. Denn die Prognosen für den Nachmittag sind eher düster wie auch der Himmel. Einzig Richtung Greifswalder Bodden lockert die Bewölkung etwas auf und dorthin wollen wir ja. Ziehen sicherheitshalber die warmen Hosen und Jacken an und legen kurz nach 9 Uhr bereits ab. Es dauert keine Stunde und es giesst aus vollen Kübeln, ich kann zeitweise kaum etwas sehen am Steuer. Wenigstens der Wind ist uns gut gesonnen und treibt uns kräftig in die richtige Richtung. Zum Glück lässt irgendwann der Regen nach und so laufen wir kurz vor 14 Uhr in den Yachthafen „im Jaich“ in Lauterbach ein – der Kreis schliesst sich! El Capitano entscheidet sich dieses Mal für den Platz 29 wieder Sektor A, das Anlegemanöver klappt einwandfrei. Das Hafenbüro öffnet leider erst um 16 Uhr, also laufen wir rüber zum Stadthafen und genehmigen uns auf dem Räucherschiff Bertha frische Fischbrötchen und ein Pils. Zurück in der Marina erledigen wir die Anmeldung und werfen die dreckige Wäsche in die Maschine. Laufen bei wieder schönem Wetter rund um den See und hinauf bis zum grossen, weissen Goor-Bäderhaus. Den Captain gelüstet es nach einem Stück frischer Rügener Torte; Sanddorn-Buttercrème mit mindestens 10000 Kalorien. Das Abendessen nehmen wir beim Stadthafen ein – solide, gute Fischküche. Nach dem obligaten Kaffee an Bord checken wir die Wetterdaten – autsch, da kommt am Freitag Unangenehmes auf die Region zu. Gut, dass wir bereits am Donnerstag zurück in Greifswald sein werden.

31. Mai 2012 von Lauterbach nach Greifswald – 22,9 sm
Wir haben lang und gut geschlafen. Der prognostizierte Sturm in der Nacht blieb völlig aus und auch jetzt am Morgen schauen Wasser und Himmel ganz friedlich aus. Holen uns beim Hafenmeister die georderten Brötchen und frühstücken. Um 9 Uhr heisst es Leinen los – die Lightning jagt mit 2 Reffs auf einem Halbwindkurs mit bis zu 7 Knoten heimwärts. Der Wind aber ist tricky, starke Böen wechseln sich mit Fastflauten ab. Kurz vor Wieck bergen wir um kurz vor 12 Uhr die Segel, die restliche Strecke bis zur Brücke muss motort werden. Die Brückenöffnungszeit ist um 13 Uhr, daher legt el Capitano drei Zacken zu und die Rechnung geht astrein auf! Ein überfahrenes Rotlicht und 55 Minuten später können wir ohne anlegen zu müssen die geöffnete Brücke passieren. La Capitana fährt bis zur Einfahrt Greifswald Marina. Zuerst geht’s zur Tankstelle, Daniel legt die Lightning prima seitwärts an. Ich springe mit dem Seil raus und lege es um den Poller. Alles ginge viel einfacher, wenn der Skipper den Rückwärtsgang rausnehmen würde, anstatt seinen schwer ackernden Knecht anzufeuern! Nach dem Tanken fahren wir wieder einige Meter aufwärts zum Liegeplatz unseres Bootes. Uns wird erst jetzt bewusst, wie unmöglich gross die Boxe für unsere kleine Lightning ist. Zum Glück sind diese Poller mit Kunststoff umwickelt…. Die Heckleinen kriegen wir problemlos ran, aber dann hackt es gewaltig und das Segelschiff hängt völlig schräg in der Lücke. Irgendwie schaffen wir es aber doch noch, auch die beiden Bugleinen zu befestigen – die Lightning ist parkiert! Dieser erfolgreiche Kraftakt schreit nach einer Belohnung, natürlich in Form eines leckeren Fischbrötchens an Bord eines der Räucherschiffe! Gestärkt spazieren wir noch etwas durch Greifswald und kehren dann an Bord des Segelbootes zurück. Unser letztes Abendessen geniessen wir an Bord der „Schwalbe II“, einem Räucherschiff – schmeckt total lecker. Kriechen anschliessend ein letztes Mal in unsere Wurmbüx.

1. Juni 2012 zurück in Greifswald
Während den Nachtstunden hat‘s kräftig geregnet, der aber bis zum Morgen nachgelassen hat. Allerdings bläst ein strammer Wind. Wir packen unsere Sachen zusammen und geniessen das letzte Frühstück an Bord, da naht schon der Bootsmann des Yachtvercharters zur Abnahme. Für die Schadensfestsetzung kommt der Chef, Herr Berger dazu. Sein Voranschlag für die Instandsetzung sind 4 Stunden Arbeit – dafür und für das benötigte Material berechnet er Euro 150.00!!!! Wir schauen uns mit grossen Augen an – unglaublich, wir haben mit einem Vielfachen der Kosten gerechnet.
Mario Berger fährt uns anschliessend persönlich zum Bahnhof, wir erreichen dank der speditiven Abwicklung bereits den Regionalexpress um 10.35 Uhr mit Ziel Berliner Hauptbahnhof.

Statistik: 229,2 zurückgelegte Seemeilen, wovon 64,3 Seemeilen unter Motor. Der Motor lief in den zwei Wochen während insgesamt 46,4 Stunden.

Tags: Projekt